Thursday, May 27, 2010

GOETHE AND HANDKE AND GOETHE...

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=Der Goethesche Nachvollzug des Schriftstellers auf Erden=   Handke und Goethe
Georg Pichler (Universidad de Alcala) [ with comments from Professor Helmut Ammerlahn & Michael Roloff at the end]
=Sehnsucht nach den =Wahlverwandtschaften== schrieb Peter Handke im Marz 1976 in sein Journal Das Gewicht der Welt (GW:76), als er sich wegen Herzrhythmusstoerungen langere Zeit =in der Intensivstation eines Pariser Hospitals= (Pichler:127) aufhalten musste. In dieser Zeit, in der er, wie er schrieb, des oefteren =in Todesangst im Bett= (GW:65) lag, sehnte er sich jedoch weniger nach dem Beziehungsgeflecht des Goetheschen Romans als vielmehr nach seiner Sprache und Schreibweise, seiner asthetik: =Ich brauche etwas, das ich Wort fur Wort lesen koennte und nicht diese Satze, die man auf den ersten Blick erkennt und uberspringt, wie in Zeitungen fast immer und leider auch fast immer in Buchern!= Weniger der Inhalt ist von Bedeutung als die Transformation von Welt in Sprache, ein Thema, in dessen Zeichen ein Grossteil von Handkes Schreiben steht. Im Lauf der kommenden Jahre sollte die Auseinandersetzung mit Goethe bestimmend fur Handkes Werk werden: Goethe, =mein Held= (GD:12), wird fur ihn ein asthetisches Projekt, ein Vor-Bild, dem man nach-schreiben kann, in dessen Werk man das eigene Schaffen spiegeln und zu dem man sich hin und wieder =fluchten= (GW:100) kann; Goethes Texte werden aber auch zum intellektuellen, literarischen, philosophischen und politischen Referenzpunkt, durch den die eigene Position, das eigene Zeitalter bestimmt werden. Handkes Schreiben ist fur ihn selbst bis hin zu seinen neuesten Werken vorrangig =der Goethesche Nachvollzug des Schriftstellers auf Erden= (Steinfeld 2002). Diese Auseinandersetzung findet nicht nur in zahlreichen Prosatexten mehr oder weniger deutlich statt, sie ist auch in den bisher vier Journalen nachzulesen, in denen Handke seine tagtaglich festgehaltenen Notizen versammelt. Dort kann dies direkt und explizit geschehen: =Naturlich: nicht sich messen an oder mit Goethe. Aber an ihm doch das eigene Mass finden= (FM:523); oder anspielungsreich indirekt: =Er betete zum Augenblick, weil er ihn fuhlen wollte: =Bleib, Augenblick, auch wenn du nicht schoen bist!== (GB:124) Zwischen diesen beiden Polen, namlich der expliziten Wiederaufnahme Goethescher Texte und einem versteckten Einarbeiten von Themen, Figuren oder sprachlichen Einsprengseln aus Goethes Werken, bewegt sich Handkes Goethe-Rezeption generell.
Peter Handke hat sich seit den fruhen siebziger Jahren intensiv mit Goethe beschaftigt, wohl so ausfuhrlich wie mit keinem anderen Schriftsteller sonst. So etwa findet Goethe in Handkes 1982 erschienenem Journal Die Geschichte des Bleistifts an die funfzig Mal Erwahnung und ist unter den rund sechzig dort zitierten Schriftstellern mit Abstand der meistgenannte. Und auch in dem langen Gesprach, das Herbert Gamper Ende der achtziger Jahre mit Handke fuhrte und unter dem Titel Aber ich lebe nur von den Zwischenraumen herausgab, ist von Goethe viel oefter die Rede als von anderen Autoren, Kunstlern und Philosophen, deren beachtliche Spanne immerhin von Aischylos bis Wittgenstein reicht. Umso auffalliger ist, dass sich die Literaturwissenschaft bisher kaum dieses Themenkomplexes angenommen hat. Im Gegensatz etwa zu den recht haufigen Vergleichen mit Autoren wie Stifter, Nietzsche, Benjamin, Heidegger oder Celan wurde Handkes Beschaftigung mit Goethe lange kaum explizit behandelt, sondern bestenfalls als ein eher kleines Kapitel in allgemeinen Darstellungen zu Leben und Werk erwahnt (vgl. Mixner, Putz 1982, Renner; die einzige Ausnahme hierbei ist Putz 1984). Erst in letzter Zeit hat das Thema einige Aufmerksamkeit gefunden und zum Teil sehr interessante Erkenntnisse gebracht (vgl. Bosse, Vogel, Wolf).
Handkes intensivste Beschaftigung mit Goethe fallt in die Jahre seiner fur ihn traumatischen Schreibkrise rund um die Erzahlung Langsame Heimkehr, die zugleich eine radikale Zasur in seinem Werk darstellt. Versuchte Handke in seiner Fruhzeit, die sprachlichen, gattungsspezifischen und sozialen Formen der Literatur und des Literaturbetriebs unter anderem im Gefolge der Sprachskeptiker zu demontieren oder beinahe nochavant la lettre  zu =dekonstruieren=, so vollzog er ab etwa 1972 =eine Wende zur Sondierung des Authentischen in und durch Sprache auf der Basis des =neuen Sehens== (Bosse:381) und eines ausserlichen Schreibens, bei dem ein von Handke etwas abgewandeltes Goethezitat Pate stand:
=Innerlichkeit ausserlichkeit=: Gestern las ich den Satz (von Goethe): =Auf ihrem hoechsten Gipfel wird die Poesie ganz ausserlich sein= und der war wie eine freundschaftliche Erleuchtung einer Schreibhaltung, die auch mir fur das, was ich schreibe, als die Herrlichkeit auf Erden vorschwebt: Um diese allumfassende ausserlichkeit zu erreichen, muss der jeweilige Schriftsteller oder Poet aber ohne Maskierungsrest innerlich geworden sein; das heisst, er muss die kunstliche, politisch oder religioes organisierte Solidaritat aufgeben und sich selber ohne Erbarmen erforschen als ob er noch nichts uber sich selbst wusste und auch niemand anderer ihm sagen koennte, wer er sei. (TS:25)
In diesem Prozess wandelte Handke sich zu einem Sucher nach einem harmonischen Bezug zwischen dem Ich und der Welt, der von seinen Kritikern immer wieder ironisch als den Grenzen des Kitsches allzu nahe kommender Verkunder des Heils oder als =Narziss auf Abwegen= (Durzak) tituliert wurde. Als erster Referenzgroesse fur dieses neue weltumfassende Schreibprogramm nahm Handke bei Goethe Mass.
Dies ist nicht nur aus asthetischen, sondern auch aus biographischen Grunden stimmig, denn der schriftstellerischen Werdegang beider Autoren weist signifikante Parallelen auf: Sowohl Goethe als auch Handke begannen ihren Eintritt in das =literarische Feld= relativ jung mit sehr publikumswirksamen Skandalen, die gegen die, eben dieses Feld beherrschende Literatur und Schreibweise ihrer Zeit gerichtet waren, um sich dann, beide in ihren Dreissigern, in einem zweiten Schritt zu Protagonisten ins =Feld der Macht= (Bourdieu:341 f.) hinein- oder, literarhistorisch gesehen, zu Klassikern ihrer Epoche emporzuschreiben (vgl. dazu auch Wolf). Bezeichnend ist auch, dass sich Handke in der Zeit seiner Beschaftigung mit dem Weimarer Klassiker den klassischen griechischen und roemischen Autoren zuwandte, die er in der Folge ebenso ausfuhrlich rezipierte wie Goethe.
=Theoretisch hat sich Handke [...] kaum zusammenhangend uber Goethe und seine Beziehung zu dessen Werk geaussert= (Putz 1984:314). Seine Rezeption scheint auf den ersten Blick eher unsystematisch. Die Notizen in den Journalen belegen eine ausfuhrliche Lekture vor allem der Wahlverwandtschaften, einiger Theaterstucke, der Maximen und Reflexionen, der Italienischen Reise, des West-oestlichen Divans und der naturwissenschaftlichen Abhandlungen. In Interviews und theoretischen Texten lasst Handke hin und wieder Zitate Goethes einfliessen, doch auch sie erinnern eher an Bruchstucke, die Handke dem an Material in Form von Zitaten und Anspielungen unerschoepflichen Steinbruch Goethe entnimmt.
Eine erste, freilich noch sehr indirekte Konfrontation mit Goethe uber das Genre des Bildungs- und Entwicklungsromans ist der 1972 erschienene Kurze Brief zum langen Abschied. Diese Beschreibung einer Reise durch die USA rekurriert ausdrucklich auf zwei Romane, die in engem Bezug zu Goethe stehen: Anton Reiservon Karl Philipp Moritz und Gottfried Kellers Der grune Heinrich. Wird hier das Paradigma des Bildungsromans, der Wilhelm Meister, nicht genannt und ist bestenfalls in seiner Abwesenheit prasent, bildet er in der drei Jahre spater erschienenen Filmerzahlung Falsche Bewegung den Ausgangstext, den Handke ausserst reduziert ins 20. Jahrhundert transponiert. Goethe wird ausser in Anspielungen wiederum nicht woertlich zitiert, sein Roman ist aber als Referenz stets prasent, doch auch hier eher ex negativo denn direkt ausgesprochen.
Namentlich zitiert wird Goethe in der 1976 erschienenen Erzahlung Die linkshandige Frau, der als Epilog eine Passage aus den Wahlverwandtschaftennachgestellt ist, die unmissverstandlich auf die Korrespondenzen zwischen den Texten verweist: In beiden geht es um Beziehungen zwischen Mann und Frau, um Abhangigkeiten, um Zusammenleben und Trennung. Die linkshandige Frau, die kurz vor Handkes oben erwahntem Krankenhausaufenthalt entstanden war, bildet denn auch eine Schwelle in Handkes Beziehung zu Goethe. Bis dahin hatte Handke sich Goethe in Form der Negation genahert, hatte dessen Texte als strukturelle Vorlage verwendet, um auf ihr ein Gegenbild aus einer modernen Weltsicht heraus zu entwerfen. Nun sollte Goethe der absolut positiv besetzte Schreib-Ahne werden, dessen poetologische Positionen Handke als Ausgangspunkt dienen, um daruber hinaus zu gelangen, und auf den in zahlreichen Werken auf verschiedenste Weise angespielt wird.
Wenn etwa der Protagonist der Langsamen Heimkehr Geologe ist, so fuhrt dies unmittelbar auf Goethes naturwissenschaftliche Schriften zuruck. Nicht nur in dieser Erzahlung, auch im spateren Werk Handkes wird immer wieder ausfuhrlich auf geologische Phanomene eingegangen, besonders auf den Granit, diese fur Goethe =merkwurdige Steinart= (Goethe 13:253). Goethes Beschaftigung mit der Geologie beruhte auf seinem =Interesse an naturlichen Gegenstanden oder auch sonst sichtbaren= (Goethe 13:273) und war darin begrundet, dass sich ihm durch sie gleichsam eine Gegenwelt auftat, uber die er als Kunstler nicht verfugen konnte, die er aber gerade als solche akzeptierte und fur sein Schaffen willkommen hiess: =Zur Darstellung meines geologischen Ganges werde veranlasst, dass ich erlebe, wie eine der meinigen ganz entgegengesetzte Denkweise hervortritt, der ich mich nicht fugen kann, keineswegs sie jedoch zu bestreiten gedenke.= (ebda) Eine ahnliche Bipolaritat zwischen der naturlichen Welt und der Welt des Ich als Kunstler ist in allen Werken Handkes prasent, in ihrer Hinwendung auf die aussere Welt beruhen sie gerade auf dem Versuch, sich das Naturliche, das ausserliche einzuverleiben. Zugleich aber wird hier auch einer der epochalen Unterschiede zwischen den beiden deutlich, namlich das Problem des referenziellen Schreibens. Wahrend Goethes Beschaftigung mit geologischen Phanomenen sich direkt mit diesen abgibt und er in naturwissenschaftlichen Abhandlung uber diese schreibt, beinhaltet Handkes Eingehen auf naturliche Phanomene stets eine Vermittlungsinstanz, einen Referenztext, der unter anderem Schlussel zu dem jeweiligen Werk ist, wie Uwe C. Steiner treffend festgestellt hat:
Dass Goethe Erdgeschichte, Handke dagegen Textgeschichte erinnert, ist selber nur das Resultat einer tieferliegenden Verschiebung, die sich bei Goethe zwar schon grundsatzlich ankundigt, aber noch nicht wie bei Handke zur Selbstdurchsichtigkeit gelangt ist. Es handelt sich exakt um jene Verschiebung, in deren Verlauf [...] das Sein der Konstruktion weichen muss. Fremdreferenz ist nur als bzw. uber Selbstreferenz zu haben, so konnte man implizit schon bei Goethe und so kann man explizit nun bei Handke sehen. Selbstreferenz und Fremdreferenz sind die zwei Seiten einer Form, in der die Seite der Selbstreferenz die starkere ist, weil sie die Fremdreferenz enthalt. (Steiner:273)
Um eben dieses Problem geht es auch fur Handke, wenn er seine eigene Schreibposition derjenigen Goethes gegenuberstellt und meint, dass Goethe am Anfang der Moderne einen literarischen Schreibraum zur Verfugung hatte, der ab diesem Zeitpunkt immer mehr an Naturlichkeit verlor und in immer neuem Bezug auf im kulturellen Gedachtnis prasente Texte erst neu geschaffen werden muss: =Goethe stand der Raum, in den er hineinschreiben konnte, im grossen und ganzen frei da; einer wie ich muss diesen Raum erst schreibend schaffen (wiederholen), daher ist das, was ich tue, vielleicht lacherlich? Nein (PW:75)=. Goethe befinde sich, so Handke, am Anfang einer Entwicklung, in deren Verlauf die Literatur zu einem System impliziter intertextueller Referenzen geworden sei, die der zeitgenoessische Autor wiederholend schaffen musse. Insofern ist Handkes Satz die wohl kurzest moegliche Definition der Unterschiede im Literaturverstandnis zwischen den beiden, aber auch Handkes eigener Schreibposition zu jener Zeit. Aufgrund dieser Ahnherrnschaft ist es auch nur konsequent, dass Handke als Ausgangspunkt fur sein poetologisch wohl aufschlussreichstes und explizitestes Werk, Die Lehre der Sainte-Victoiregleich nach Stifter den =ein bisschen mit seinem Wissen prunkende[n] Goethe= (LSV:10) nahm. Bezeichnenderweise eine Stelle aus derFarbenlehre, denn der Text legt anhand der Bilder Paul ©zannes Handkes Verstandnis von Kunst dar und exemplifiziert es gleichzeitig. Aber er weist auch schon uber Goethe hinaus, dessen Prasenz in den kommenden Werken Handkes deutlich geringer wird. Erst rund zehn Jahre spater taucht er wieder auf: Handkes Roman Mein Jahr in der Niemandsbucht ist, wie Juliane Vogel uberzeugend nachgewiesen hat, eine breit angelegte Umschreibung vonWilhelm Meisters Wanderjahre, wenngleich die Bezuge zwischen Vor- und Nachbild weitaus versteckter sind als in der Falschen Bewegung und Handke hier einen neuen Autor einfuhrt, der zum Paten von Handkes bisher letzten und groessten Roman Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos wird: Miguel de Cervantes.
Wenn ich nun im Folgenden ausfuhrlicher auf die von Wim Wenders verfilmte Erzahlung Falsche Bewegung eingehe, so hat dies mehrere Grunde: In ihr sind in nuce viele poetologische Charakteristiken des jungen, aber auch schon des spateren Handke vorhanden; es ist seine wohl ausfuhrlichste Umsetzung eines Goethes Werks, und der Text wurde bislang von der Literaturwissenschaft mit nur wenigen Ausnahmen (Wolf) als eher zweitrangig abgetan und kaum beachtet.
Auf den ersten Blick hat das 1973 geschriebene und zwei Jahre spater veroeffentlichte Filmskript wenig mit den Lehrjahren gemein. Vorgefuhrt wird eine vom Zufall bestimmte Reise eines familiennamenlosen Wilhelm von seinem Geburtsort Heide in Schleswig Holstein in den Suden Deutschlands, in die freiwillig aufgesuchte Einsamkeit auf der von einem Schneesturm umtosten Zugspitze. Stationen auf diesem Weg sind der Hauptbahnhof von Hamburg, die Ortschaft Soest in Westfalen, ein Landhaus in deren Umgebung sowie Frankfurter Vororte, geographisch genau bezeichnete und realistisch wiedergegebene Orte. In GoethesWilhelm Meister herrscht eine paradigmatische Losgeloestheit von Raum und Zeit, in ihm scheint es keine Jahreszeiten und damit verbundenen Klimaanderungen zu geben, der Ablauf der Monate und Jahre ist nur sehr schwer nachzuvollziehen, und die konkreten Orte, Doerfer und Stadte, die der Held auf seinem Bildungsweg durchlauft, bleiben allesamt namenlos, werden geographisch nicht einmal ungefahr situiert. Auch wenn man aus historischen Grunden darauf schliessen kann, dass mit der =grossen Handelsstadt= (Goethe 7:266), in der Serlos Truppe im vierten Buch ihren Sitz hat, Hamburg gemeint ist, lasst Goethe doch alle eindeutigen Ortsangaben im Dunkeln, unter andern wohl, um so dem Text, der im zentrumslosen Deutschland des 18. Jahrhunderts spielt, seine Anspruche an eine fur das ganze Land verbindliche Allgemeingultigkeit zu bewahren. Zudem handelt es sich weniger um einen Roman des Aussenraums denn um einen der zwischenmenschlichen Beziehungen und der inneren Entwicklung des Protagonisten, so dass generell auf die landschaftliche Dekoration oder auf die Natur wenig Wert gelegt wird, was der Roman auch thematisiert. Als Philine sich uber die Naturschwarmerei eines jungen Mannes lustig macht, stimmt ihr Wilhelm Meister etwas verlegen bei, dass =der Mensch [...] dem Menschen das Interessanteste= sei und =ihn vielleicht ganz allein interessieren= (Goethe 7:101) sollte. Dieses Fehlen von Naturbeschreibungen in den Lehrjahren steht denn auch im Gegensatz zu den Wanderjahren und liess bereits Novalis konstatieren, dass =die geognostische oder =Landschaftsphantasie= [...] im =Meister= gar nicht beruhrt [wird]. Die Natur lasst Goethe nur selten mitwirken [...]. Die Aussenwelt [beruhrt er] uberhaupt selten= (Goethe 7:681).
Handke stellt dagegen seinen Wilhelm in die konkret benannte und wohl auch in Hinblick auf die Verfilmung plastisch geschilderte aussere Wirklichkeit des Deutschland der siebziger Jahre: Zugnamen wie =der Transeuropaexpress Hamburg-Mailand= (FB:19) tauchen auf, eine Unzahl von Schildern, die auf Stadte, Lokale oder Geschafte verweisen, spielen mit der Doppeldeutigkeit von Zeichen und Bezeichnetem, Flugzeuggerausche von Nato-Bombern sind zu hoeren, aus dem stehenden Zug ist das wenig erbauliche =Zementwerk von Itzehoe= (FB:17) zu sehen, im Hochhaus der Handkeschen Therese sind =Genitalsymbole in die Liftwand geritzt= (FB:64), und Wilhelm halt in seinem Notizbuch das triste, aber das Ambiente des Textes bestimmende Panorama der =Schlafstadt Schwalbach [bei Frankfurt] am fruhen Morgen= (FB:66) fest, das mit seinem stummen Voruberziehen von Bewohnern an das rund zwanzig Jahre spater entstandene Stuck Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten erinnert. Bereits in dieser fur sein damaliges Schreiben bezeichnenden eindeutigen Situierung im Hier und Jetzt grenzt sich Handke klar von Goethe ab.
Goethes Roman steht nicht nur am Anfang des burgerlichen Bewusstwerdungsprozesses, er beschreibt auch ausfuhrlich die Grundsatze der burgerlichen Haushaltsideologie als Gegensatz zur Reprasentationskunst des Adels. Eben dieses oekonomische Denken war den Romantikern sehr zuwider und liess Novalis den Wilhelm Meister als =fatales und albernes Buch so pratentioes und prezioes undichterisch im hoechste Grade, was den Geist betrifft= (Goethe 7:685), charakterisieren. Vor allem der Schluss wird ihm zur =Farce. Die oekonomische Natur ist die wahre ubrig bleibende= (ebda). Goethe beschreibt in eben dieser Abwendung Wilhelm Meisters von der Kunst hin zur gesellschaftlichen Tatigkeit den Beginn der Beschleunigung des sozialen Lebens, die im 19. Jahrhundert den Kapitalismus hervorbrachte und durch deren Spatfolgen die Handkeschen Figuren in derFalschen Bewegung wandeln: die Zeugnisse der fast ausschliesslich nur mehr wirtschaftlichen Ausrichtung des gesellschaftlichen Lebens, der Zerstoerung der Natur durch die Industrialisierung, der auch der =kunstlerische Mensch= nicht entgehen kann. Als Wilhelm bei einem seiner ersten Versuche, die Realitat literarisch einzufangen, das vor ihm liegende Meer beschreiben will, indem er in seiner Ohnmacht, die Natur in Sprache zu fassen, einfach ==Das Meer. Das Meer. Das Meer, das Meer, das Meer.== (FB:9) in seinem Notizbuch festhalt, stoesst er in seiner Suche nach Beschreibbaren sehr bald auf Zeichen der Vermischung von Industrie und Natur: =Teerspritzer, Plastikbecher, Moeweneierschalen...= (ebda). Ein Thema, das Handke bis in seine jungsten Werke auf immer neue Weise gestaltet.
In der literarischen Beschreibung der Landschaft, die in eben dieser Durchmischung von naturlicher und kunstlicher Umwelt fur ihn nie unproblematisch ist und stets vermittelt geschieht, ist Handke gezwungenermassen eher ein Nachfahre der Romantik und weniger der Goethes, wie er selbst weiss: =An Goethes Naturbeschreibungen ist zu merken, wie frisch die Landschaft damals noch war; so dass die einfachsten Woerter genugten, das blosse Benennen und =Ansagen=. Es brauchte keine Beschwoerung sein, wie dann schon bei Hoelderlin= (GB:253). Dieses Changieren zwischen klassischen und romantischen Positionen in Bezug zur Gegenwart wird spielerisch deutlich, wenn Handke Wilhelms Zugreise durch das moderne Deutschland den Anfang von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts unterlegt (FB:18).
Auch in einer anderen Beziehung ist Handke romantischen Positionen naher als Goethes klassischen Idealen. Handkes Text thematisiert nicht den Eintritt eines jungen Menschen ins gesellschaftliche Leben, sondern seinen Austritt aus ihm, seinen Ruckzug in die unwegsamste Natur Deutschlands, die Zugspitze, um sich dem Schreiben zu widmen: der Texte endet eben dort mit dem Bild einer weissen =Schneewachte gegen den grauen Himmel=, =Sturmgerausch= und einem =Schreibmaschinengerausch dazwischen, das immer starker wird= (FB:81). Die Hinfuhrung zum Gesellschaftlichen, zum =Politischen= uber die als fur die Ausbildung des Geistes ungemein wichtige Kunst, dessen Beschreibung ja die grosse, vorausblickende Leistung der Lehr- und Wanderjahre war, wird verweigert und umgeleitet zu einer Hinfuhrung zum asthetischen, die sich jeder gesellschaftlichen und politischen Vereinnahmung verweigert (vgl. dazu auch Wolf). Handkes Text entspricht im Handlungsverlauf den ersten funf Buchern derLehrjahre oder dem Urtext der Theatralischen Sendung, denn er bricht gerade in dem Moment ab, da Wilhelm versucht, sich ganz und allein dem Schreiben zu widmen. Zudem verlegt Handke den an sich schon einsamen Akt des Schreibens in die groesstmoegliche Einsamkeit, in genauem Gegensatz zu der von Friedrich Schlegel konstatierten inneren Notwendigkeit in Goethes Wilhelm Meister, diesen Schauspieler werden zu lassen:
Bei dieser Absicht musste die Schauspielerwelt die Umgebung und der Grund des Ganzen werden, weil eben diese Kunst nicht bloss die vielseitigste, sondern auch die geselligste aller Kunste ist, und weil sich hier vorzuglich Poesie und Leben, Zeitalter und Welt beruhren, wahrend die einsame Werkstatte des bildenden Kunstlers weniger Stoff darbietet, und die Dichter nur in ihrem Innern als Dichter leben, und keinen abgesonderten Kunstlerstand mehr bilden. (Schlegel:132).
Fur Handkes Wilhelm ist die Kunst nichts =Geselliges=, nichts Soziales, sondern Ausdruck eines Wollens, die Welt zu sehen, deren Ursprung auch hierin eher in Einklang mit den Romantikern als mit dem Goethe der Lehrjahre  …“ ein Wunsch nach Einzigartigkeit ist. Der Grund fur Wilhelms anfangliches =Unbehaglichkeitsgefuhl= und seinen =Missmut= (FB:10) ist ein Zeitungsfoto, auf dem er sich selbst als zufalliger Passant erkannt hat: =Es wurde mir klar, dass ich bis jetzt all die Jahre wirklich nichts anderes war als dieser beliebige Passant auf dem Foto. [...] Ich komme mir schon manchmal nur noch wie ein Posten in einer Statistik vor.= (FB:11) Und der Weg zur Einzigartigkeit des Protagonisten fuhrt nun nicht in die Welt, um dort als Wundarzt tatig zu sein, sondern in das =Innere= des Dichters, um von dort aus mit der Welt in einen diffizilen Dialog zu treten. Dies geschieht fur Wilhelm aus einer inneren Notwendigkeit heraus, denn fur ihn ist der Akt des Schreibens nicht mit anderen Handlungen vergleichbar, sondern bestimmt das Leben des Schriftstellers. =Ja: nicht S c h r e i b e n ist das Bedurfnis, sondern schreiben w o l l e n.= (FB:46) Es handelt sich bei ihm also um die grundsatzliche Entscheidung, das Leben als Schreibender zu leben, das all seine Handlungen und seine Sichtweise der Welt betrifft. uber den =erotischen Blick= bekomme er ein Gefuhl fur die Dinge, die so ein =inniger Teil= von ihm selber wurden: =Etwas Einzelnes wird zum Zeichen fur das Ganze.= (FB:58) Und diese Sichtweise geht gezwungenermassen uber das Innere des Schreibenden, der sich die aussere Welt einverleibt, um sie dann umgestaltet wiederzugeben. Wichtig sei nicht das, was er sehe, sondern das, was als =Nachbild= (FB:62) vom Gesehenen ubrig bleibe: =Auch wahrend ich schreibe, schliesse ich die Augen und sehe einiges ganz deutlich, das ich bei offenen Augen gar nicht wahrnehmen wollte.= (ebda) Das Medium des Schreibens ist somit die Erinnerung =als eine Form der poetischen Phantasie, welche die Aussenbilder und die Innenbilder aneinander vermittelt= (Renner:116). Das Schreiben muss aus der Erinnerung vor sich gehen, aus der im doppelten Sinn zu verstehenden geistigen Wiederholung der Welt, wobei das Zufallige der Welt nur dann Kontingenz und innere Logik erhalt, wenn es durch eben diesen Prozess der Erinnerung gestaltet wird: =Ich moechte nichts Bestimmtes sehen, bevor ich etwas schreiben will. Ich moechte mich nur erinnern. Alles, was ich nur zufallig sehe, stoert mich beim Erinnern, und zum Schreiben muss ich ungestoert und genau erinnern koennen, sonst schreibe ich nur was Zufalliges.= (FB:30)
Zufalligkeit ist auch ein Merkmal beider Texte. Wilhelm Meister lasst sich den ganzen Roman uber von seinem Geschick treiben, erst a posteriori scheinen all die von Goethe recht grosszugig gebrauchten Zufalle und Fugungen so etwas wie einen Sinn in seinem bisherigen Leben zu ergeben. Die Zwangslaufigkeit seines Weges hin zu seiner gegluckten Bildung ist literarische Konstruktion, und im Verlauf der Handlung kristalisieren sich die kompositorischen Kunstgriffe heraus, die Wilhelms Werdegang als zweckbestimmt und in gewisser Weise von der Turmgesellschaft geleitet darstellen. Handke dagegen verweigert in der Falschen Bewegung jede nachtragliche Zweckbestimmung seines Protagonisten. Der Text ist von Anfang an Zufalligkeiten ausgesetzt, durch die sein Protagonist getrieben wird. Bereits das erste Ziel der Reise ist beliebig, denn mit der von seiner Mutter zur Verfugung gestellten Zugskarte koenne Wilhelm bis Giessen, Bad Hersfeld oder nach Soest reisen. Wilhelm fahrt kurzentschlossen nach Soest, da er dort =frisches Brot= (FB:15) rieche, eine Idylle, die sich als falsch eben als falsche Bewegung herausstellt, denn tatsachlich =riecht es nach Benzin= (FB:29). Zufalle sind auch die Bekanntschaft des Alten und Mignons, die im selben Zugsabteil sitzen; Zufall ist das erste Treffen mit Therese, die er aus dem Abteilfenster sieht, als ihr verspatet abfahrender Zug zugleich mit dem seinen losfahrt; das Landhaus des Onkels des ebenfalls durch Zufall zu ihnen gestossenen Dichters Bernhard, gehoert jemand anderem, der sich in eben dem Moment da die Gruppe dort ankommt, zufallig erschiessen wollte; und Zufall ist auch, dass sich Wilhelm in der ersten Nacht im Zimmer irrt und statt mit Therese mit der vierzehnjahrigen Mignon schlaft. Anders als Goethe loest Handke diese Zufalligkeiten nicht im Nachhinein auf, sondern lasst sie als solche stehen, im Einklang mit der zerrissen wirkenden Gestaltungsform der Filmerzahlung, die die einzelnen Etappen des Plots als voneinander getrennte Einstellungen wiedergibt, statt sie geschlossen und verknupft darzustellen. In dieser losen, akausalen Aneinanderreihung von Augenblicken beruft sich Handke erneut auf Goethe: ==Sie war glucklich in Eduards Nahe und fuhlte, dass sie ihn jetzt entfernen musste= (= Und fuhlte=! Kein =so dass= oder =deswegen=!)= (GW:109), zitiert Handke in seinem Journal aus den Wahlverwandtschaften und weist mit dem Nachsatz ausdrucklich auf dieses rein aufzahlende und hin, durch das jede Kausalitat aufgehoben wird. Erst gegen Ende kommt es in all der scheinbaren Beliebigkeit der Erzahlung zu einer einzigen Notwendigkeit. Als Wilhelm sich von Therese verabschiedet, fragt ihn diese, ob sie sich noch einmal sehen werden: =Das ist notwendig= (FB:80), antwortet er und sieht ihr nach, wie sie in einem ironischen Antiklimax mit Mignon im Eingang des Hertie-Kaufhauses im =Main-Taunus-Einkaufszentrum bei Frankfurt Hoechst= (FB:79) verschwindet. Eine Notwendigkeit, die am Schluss manifest wird, als es Wilhelm zu gelingen scheint, gegen die Zufalligkeiten seiner Welt anzuschreiben. In dieser Notwendigkeit sind Schreiben und Lieben vereint, wie Wilhelm bereits zuvor durchblicken hatte lassen (vgl. FB:46). In dieser Richtung ist wohl auch eine zwei Satze lange Geschichte zu deuten, die Handke Wilhelm zuschreibt: =Endlich war er fahig, ihr zu sagen, dass er sie liebe. Im Moment, als er sagte ICH LIEBE DICH, griff sie zufallig nach dem Zahnstocher, und von da an hasste er sie sein Leben lang.= (FB:56). Neben dem banalen Griff nach dem Zahnstocher ist es hier wohl auch die Zufalligkeit, mit der sie diese Geste ausfuhrt, die in absolutem Kontrast zum lang vorbereiteten, hochkonzentrierten Moment der Liebeserklarung steht und die den lebenslangen Hass des mannlichen Parts ausloest.
Grundlegende Elemente des Goetheschen Romans hat Handke nur wenige ubernommen, die er in seinem Text nach Belieben zitiert, abwandelt und adaptiert, meist mit einem Anklang von Ironie. Das Grundmotiv der Reise, Themen wie das Theater, Traume, Liebe und Wahnsinn, Selbstmord, Italien, ja sogar ein Mann mit Pudel werden von Handke in den Text eingeflochten, doch sind sie zumeist Anspielungen, die zeigen, dass sich Handke bei Goethe das Material geholt hat, es aber auf seine Weise umarbeitet. Auch die Figuren sind nicht treu nachgestaltet. Der aus gutem Hause stammende Kaufmannssohn Wilhelm Meister ist in Analogie zur Theatralischen Sendung, in der Wilhelm aus armlichen Verhaltnissen kommt zum Sohn einer offensichtlich alleinstehenden Geschaftsfrau geworden, die ihm, =Besen und Kehrrichtschaufel in der Hand= (FB:9), mitteilt, dass sie ihr Lebensmittelgeschaft dem Supermarkt verkaufen wolle. Therese ist eine bekannte Fernsehschauspielerin, die sich alle Frauenrollen aus Goethes Roman mit der bei Handke stummen Mignon teilt, die hin und wieder =wie Cary Grant= (FB:49) gestikuliert; am wenigsten hat Therese jedoch mit ihrer originalen Namenskollegin gemein. Der Onkel der von Handke neu eingefuhrten Figur Bernhard, bei dem die Truppe nachtigt, ist kein Graf mehr wie bei Goethe, sondern Besitzer einer Brotfabrik. Im Alten, der Mignon begleitet, ist unschwer der Harfner zu erkennen, auch er ironisch gebrochen, wenn ihn Handke etwa einmal das bedeutungsschwangere Lied =Wer nie sein Brot mit Tranen ass...= (FB:24), ein anderes Mal bei einer Bootsfahrt den Blues =Muddy Water= (FB:73) singen lasst. Seine Schuld ist nun nicht mehr die inzestuoese Verstrickung mit Mignon, sondern seine Vergangenheit als NS-Offizier. Ebenso wie in den Lehrjahren der dustere, geheimnisumwitterte Harfner in gewisser Weise eine Gegengestalt zu dem fur den Leser transparenten Wilhelm Meister ist, steht der Alte bei Handke in Opposition zum Protagonisten. Wilhelm, der =nichts von fruher wissen will= und =kein Gefuhl fur die Vergangenheit= (FB:28) hat, entscheidet sich nach anfanglichen unfruchtbaren Versuchen, das Politische und sein Schreiben in Einklang zu bringen, fur die Autonomie der Kunst und gegen die Politik, weniger aus ideologischen denn aus asthetischen Grunden: =Eigentlich ist mir das Politische erst mit dem Schreiben unfassbar geworden. Ich wollte politisch schreiben und merkte dabei, dass mir die Worte dafur fehlten.= (FB:51) Der Alte hingegen verwendet eine von Handke etwas perfid gezeichnete politische Argumentationsweise, die eine Mischung aus nationalsozialistischem Gedankengut und dem Jargon der 68er-Generation ist. Es geht ihm dabei jedoch weniger um eine ideologische Gleichsetzung, als um die unuberbruckbare Gegenuberstellung einer politischen Weltsicht und der von Wilhelm vertretenen kunstlerischen. Wobei sich gerade hier die verschiedenen Facetten des Goetheschen Romans treffen und nicht aufloesen, sondern nebeneinander stehen bleiben und von Handke weitergefuhrt werden: die asthetische Dimension der Klassik, auf die sich Handke bezieht und die er adaptiert; und die gesellschaftsanalytische Komponente des Romans, die Handke in den Auswuchsen des Spatkapitalismus zeigt, aber auch in der Perversion des aufklarerischen Gedankenguts, das im Wilhelm Meister zu einem Hoehepunkt gelangt war, der Ideologie des Dritten Reiches. Selbst wenn Wilhelm sich gegen die Politik und fur das damit unvereinbare Schreiben entscheidet, so impliziert der Text dennoch eine politische Komponente, die trotz aller Ablehnung des explizit Politischen bei Handke (fast) immer prasent ist.
ubernimmt Handke also sehr viele der asthetischen Positionen Goethes und denkt sie von seiner Warte aus weiter, ist die Falsche Bewegung zugleich eine Absage an die sozialen Dispositionen, die Goethe im Wilhelm Meister vorfuhrt. Die konstanten falschen Bewegungen des Protagonisten fuhren ihn ins Abseits, das Modell des Bildungs- und Entwicklungsromans wird dadurch unterlaufen und als im 20. Jahrhundert nicht mehr nachvollziehbar dargestellt. Jean Amery hat der Beschreibung seines eigenen, durch den Nationalsozialismus, das Exil und die Jahre im KZ brutal unterbrochenen Bildungsweges den TitelUnmeisterliche Wanderjahre gegeben, und sie auf das das lakonische Fazit hinauslaufen lassen: =Es gibt Meisterschaft und Meister nicht mehr.= (Amery:734). Amerys Absage an die Moeglichkeit eines selbstbestimmten Entwicklungsweges trieb ihn in den realen Selbstmord. Handke hingegen lasst seinen fiktiven Helden den Weg in die Autonomie der asthetik nehmen.
Bibliographie:
Goethe, Johann Wolfgang von, 1998. Werke. Hamburger Ausgabe. 14 Bde. Munchen: dtv.
Handke, Peter, 1975. Falsche Bewegung. 9. Aufl. 1995. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 258.) (Zitiert als FB)
Handke, Peter, 1976. =Die Tyrannei der Systeme.= Die Zeit (2.1.1976):25f. (Zitiert als TS)
Handke, Peter, 1977. Das Gewicht der Welt. Ein Journal (November 1975-Marz 1977). 7. Aufl. 1997. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 500.) (Zitiert als GW)
Handke, Peter, 1979. Langsame Heimkehr. Erzahlung. 5. Aufl. 1995. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 1069.)
Handke, Peter, 1980. Die Lehre der Sainte-Victoire. 6. Aufl. 2000. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 1070.) (Zitiert als LSV)
Handke, Peter, 1982. Die Geschichte des Bleistifts. 3. Aufl. 1997. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 1149.) (Zitiert als GB)
Handke, Peter, 1983. Phantasien der Wiederholung.. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= es. 1168.) (Zitiert als PW)
Handke, Peter, 1990. Aber ich lebe nur von den Zwischenraumen. Ein Gesprach, gefuhrt von Herbert Gamper. Frankfurt/Main: Suhrkamp. (= st. 1717.)
Handke, Peter, 1998. Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982-1987).Salzburg, Wien: Residenz. (Zitiert als FM)
Handke, Peter, 2002. Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2002.
Amery, Jean, 2002. =Unmeisterliche Wanderjahre. Fragmente einer Biographie des Zeitalters (Expos, 1969).=Werke. Bd 2. Hg. Gerhard Scheit. Stuttgart: Klett-Cotta:732-734.
Bosse, Anke, 2000. ==Auf ihrer hoechsten Stufe wird die Kunst ganz ausserlich sein=: Goethe bei Handke.= Spuren, Signaturen, Spiegelungen. Zur Goethe-Rezeption in Europa. Hg. Bernhard Beutler, Anke Bosse. Koeln, Weimar, Wien: Boehlau: 381-397.
Bourdieu, Pierre, 2001. Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Aus dem Franzoesischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001. (=stw. 1539.)
Durzak, Manfred, 1982. Peter Handke und die deutsche Gegenwartsliteratur. Narziss auf Abwegen. Stuttgart et al.: Kohlhammer. (= Sprache und Literatur. 10.)
Mixner, Manfred, 1977. Peter Handke. Kronberg: Athenaum. (= Athenaum Taschenbucher. 2131.)
Pichler, Georg, 2002. Die Beschreibung des Glucks. Peter Handke: Eine Biographie. Wien: Ueberreuter.
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Schlegel, Friedrich, 1958. =uber Goethes Meister=. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Erste Abteilung, Bd 2. Munchen et al.: Thomas:126-146.
Steiner, Uwe C, 1996. =Das Gluck der Schrift. Das graphisch-graphematische Gedachtnis in Peter Handkes Texten: Goethe, Keller, Kleist (Langsame Heimkehr, Versuch uber die Jukebox, Versuch uber den gegluckten Tag ).= Deutsche Vierteljahresschrift fur Literaturgeschichte und Geistesgeschichte 70 (1996):256-289.
Steinfeld, Thomas 2002. =Ich erzahle von einem Leben, das uber mich hinausgeht. Peter Handke uber den Roman Der Bildverlust und das Verrissenwerden, uber den unglaublichen Wald bei VÃlizy und die automatischen Turen des Einkaufszentrums.= In: Suddeutsche Zeitung, 30.1.2002.
Vogel, Juliane, 2002. =Der =Meister des sachlichen Sagens= und sein Schuler. Zu Handkes erzahlerischer Auseinandersetzung mit Goethe. Unveroeffentlichstes Vortragsmanuskript, Klagenfurter Handke-Symposium, November 2002.
Wolf, Norbert Christian, 2002. =Der =Meister des sachlichen Sagens= und sein Schuler. Zu Handkes Auseinandersetzung mit Goethe in der Filmerzahlung Falsche Bewegung.= Unveroeffentlichstes Vortragsmanuskript, Klagenfurter Handke-Symposium, November 2002.


Lieber Georg,

Anbei einige Bemerkungen die dein Handke/Goethe bei mir ausgeloest hat...

Leider habe ich den Film Falsche Bewegung nie gesehen, nur die Drehbuchvorlage... aber den Vergleich zwischen den beiden Wilhems, besonders der Unterschiede ueberzeugt mich schon. Hellmut Ammerlahn kennt den Film, und ist einer dieser liebevollen Goethe Spezialisten die mir schon aus den College Jahren, Harry Pfund [auch so ein Name!] in dieser Branche eigentlich am angenehmsten waren.

Sonstens:

Tja, Handke und Goethe, einer war’s der andere wollte, will es ist es geworden!? Beide gehören der Gattung homo sapiens an, trotzdem der 2te eigentlich lieber nichts allzu wissenschaftliches wissen wollte/ will, und die Farbenlehre war ja auch schon so eine heikle Angelegenheit. Mir ist aufgefallen Handkes Versuch friedliche Formen in der Alaskaschen Landschaft zu finden! Das sagt mir, der ich da neun Monate lang gearbeitet, sechs als Assistent eines Professors der Geologie, für die Department of Roads, nur etwas über Handke’s Wunsch nach eigenenm Frieden... trotzdem der Indianer in ihm dan wütet! Unter solchen Wutanfällen hat Goethe soweit ich weiss nicht gelitten....Helmut???
...
 Goethe sowie Handke waren [sind] beide aeusserst ambitioniert, ob Goethe schon so früh wie Handke nur/ nichts als schreiben wollte, musste weiss Helmut Ammerlahn vielleicht – ich bemerkte gestern dass das Essay schon länger auf dieser Seite derhttp://www.handkeprose2.scriptmania.com/photo3.html zu finden ist – ich werde wohl langsam senil, oder ersticke an Handke Stuff! Jetzt ist in dem wunderschönen aber typisch vollkommen Handke gegenüber unkritischen Klastberger's FREIHEIT DES SCHREIBENS verewigt...

 Goethe hasste die Geschwister, wollte Numero Uno sein, Handke war’s von Anfang an. Sie haben sehr unterschiedliche Verhältnisse zu den Weibern, einer saugte lebenslang an ihren Zitzen und blühte immer wieder auf, der andere fürchtete und vergewaltigte und schmiss sie schnellstens wieder raus  weil sie ihn am Schreiben hinderten, beide wollten Schreiben, durch Schrift sich der Welt bemächtigen, der zweite war verdammt nichts zu tun als zu schreiben sonst würde er krepieren, ob das auch so dringend der Fall bei Goethe war – Helmut??

 Der Herkunft nach wohl sehr verschieden, beide von Mutterliebe durchtränkt, bei dem zweiten dringt die Liebe zum schreiben, dichten, auf den Leser ein/ durch [besonders im Del Gredos]. Vor einigen Jahren fand ich dass es eigentlich interessanter ist im Alter Handkes als dem von Goethe zu leben – Hellmut???.

Was Falsche Bewegung betrifft, ist dieser Film Testament dessen was Handke lebenslang tun wird, dichten, sich selbst zu entaeussern [in der Prosa]. Exemplarische Figuren... findet man eigentlich nur in den Dramen... ab DÖRFER. Vieles handelt ja von dem sich zurückziehen aus der Welt, schon von ganz früh, aber ist wohl eine reine Nerven Angelegenheit die sich sehr günstig für das Schreiben ausgewirkt hat... trotzdem leidet [e?] der Kerl dann plötzlich an Einsamkeit...

Seine Bemerkung über dieWahlverwandtschaften steckt bei mir im Kopf  wegen des Ironischem in den WV, im Falle Handke gefallt mir die liebevolle Ironie von Ueber die Dörfer, Ironie wird tiefer, [Ironie ist eine Defensiv Massnahme des Geistes],  glücklicherweise nicht „supernal“, im Don Juan, grimmig irgendwie im Bewusstsein „Gefangener des Sexus“ zu sein... wobei mir einfällt...momentan wirbeln die Baumwollensamen aus den Pappeln von denen es tausende in der Umgegend gibt... eine miese Reporterin der Seattle Times schrieb gerade heute, dass diese Samen von „Cottonwoods“ stammen... ein ganz anderer eichenartiger, gewaltiger Baum von denen es hier kaum welche gibt.

Teilweise jedenfalls enthält Dörfer ja auch viel politisches... woran man sich erinnern dürfte wenn dieses Thema mit Handke in Verbindung gebracht wird.
Dass Handke sowie Goethe in ihrer Jugendzeit stuermig waren trifft wohl auf viele andere auch zu, Goethe durchlebte die Französische Revolution und die Napoleonische Zeit... Handke wuchs auf in der Zeit einer Restauration die von dem Nachhall einer Revolution begleitet... die hie und dann wie im Nachgewitter dann wieder aufzuckt!

Euer Michael
Wenn euch noch etwas zu dem Thema Handke/ Scherben einfällt... bitte nicht den handke-yugo.blog vergessen...




2010/5/26 Hellmut Ammerlahn <
Hallo Michael,
 
vielen Dank fuer das E-mail, das aber, weil auf der linken wie der rechten Seite abgeschitten, mir nur sehr unvollstaendig zu Augen kam und dadurch schwer verstaendlich war. Koennten kuenftige Mitteilungen nicht mit weniger Farbe und in einer kleineren Schriftgroesse geliefert werden? Georg Picklers als Beilage gesandter Artikel  erlitt keine Einbusse und hat mich mit seiner Vergleichsvielfalt sehr beeindruckt, wenn auch Handke nicht zu meinem Forschungsgebiet gehoert. Bei den mehr oder weniger traditionellen Auffassungen darin ueber WILHELM MEISTER frage ich mich, ob er mein Buch von 2003 ueber WML als Bildungsroman des Dichters Wilhelm kennt oder ob er daran interessiert ist.  In meiner Monographie erhaelt auch die Turmgesellschaft eine neue (epistemologisch fundierte) Interpretation . Ich erlaube mir, fuer Interessierte eine kurze Uebersicht als Anlage beizugeben.
 
Bis bald und mit freundlichen Gruessen,
 
Hellmut Ammerlahn
 
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Prof. Dr. Hellmut Ammerlahn
Germanics & Comparative Literature
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Chicquita abracas a todos"

  



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